Der König der purpurnen Stadt - Rebecca Gablé

 

Im Jahre 1330 lebt in London, der achtzehnjährige Jonah, als Lehrling im Hause seines Vetters, des trunksüchtigen Tuchhälters Rupert Hillock. Nur seine Großmutter bringt ihrem verwaisten Enkel Zuneigung und Vertrauen entgegen. Eine zufällige Begegnung mit König Edward und Königin Philippa lenkt Jonahs Schicksal in andere Bahnen. Er wird als jüngstes Mitglied in die Tuchhändlergilde aufgenommen und revolutioniert mit seinen Ideen die englische Tuchproduktion. Je größer sein Erfolg, desto neidischer und heimtückischer werden auch seine Feinde, allen voran sein Cousin Rupert. Als der Hundertjährige Krieg ausbricht, gelangt Jonah als Bankier der Krone dennoch zu Reichtum und politischem Einfluss. Doch der alte Adel betrachtet die neue Macht mit Missgunst und versucht mit allen Mitteln Jonahs Ruf und seine Finanzen zu ruinieren. In diesem neuen Roman von Rebecca Gable geht es wieder um einen jungen Mann, der gegen seinen Willen in die Politik gerufen wird und dort zum "Liebling der Krone" aufsteigt, Absolute Loyalität gegenüber seinem König zeichnen ihn aus, auch wenn er nicht blind ist gegenüber dessen Schwächen.

Dirk Zwirlein

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Der-König-der-purpurnen-Stadt-ISBN-978-3-431-03439-4


Hauke Haiens Tod - Andrea Paluch und Robert Habeck

 

Kurzbeschreibung:

Der Deich bricht. Bei einer Jahrhundertsturmflut an der friesischen Nordseeküste kommt es zur Katastrophe. Unter den Todesopfern sind Hauke Haien, der Erbauer des Deiches, seine Frau Elke und scheinbar auch ihre vierjährige Tochter Wienke. Iven Johns, der Knecht Hauke Haiens, setzt sich nach Hamburg ab. Fünfzehn Jahre nach der Unglücksnacht steht Wienke plötzlich wieder vor ihm. Sie fragt Iven, was damals wirklich passiert ist.Warum mussten ihre Eltern sterben? Wie hatte er ihr das Leben gerettet? Und warum hatte er es geheim gehalten? In den ersten heißen Maitagen kehrt Iven mit der jungen Frau zurück in den Ort hinter dem Deich. Er versucht, Licht in das Dunkel jener Nacht zu bringen. Aber seine ehemaligen Freunde begegnen ihm mit Misstrauen. Niemand will etwas von den vergangenen Ereignissen wissen. Im Gegenteil: die gleichen Kräfte, die damals den Tod der Familie Haien wollten, richten sich nun gegen Wienke - die eigentlich nicht mehr leben dürfte. Auf der einen Seite die Weite des Meeres, auf der anderen die platte Landschaft, dazwischen der Deich und ein Dorf mit vielen Geheimnissen und skurrilen Bewohnern. Andrea Paluch und Robert Habeck erzählen endlich die "wahre" Geschichte des Schimmelreiters. Lassen Sie sich entführen an diesen literarischen Tatort.

"Hamstermord und Hauke Haien!?"
Die Autoren haben es geschafft, eine Stimmung aufzubauen, die typisch ist für die Landschaft, in der der Schimmelreiter angesiedelt ist: kurz und bündig - manchmal etwas grausam in seiner Härte - aber in jedem Fall faszinierend.
Faszinierend ist auch der Blickwinkel, der die Geschehnisse in unsere heutige Zeit versetzt und deshalb zeigt, wie zeitlos auch das ursprüngliche Material des Schimmelreiters war. Auch "Hauke Haiens Tod" ist in seiner Darstellung von Vorurteilen, Intoleranz und auch Gleichgültigkeit, die es immer wieder zu überwinden gilt, sehr überzeugend. Man kann das Buch bis zum Ende einfach nicht aus der Hand legen, da immer wieder Wendungen eintreten, die die Theorien, die man sich zurecht gelegt hat, über den Haufen werfen und den Leser förmlich dazu zwingen weiterzulesen. Das Buch bringt einen dazu, auch den Schimmelreiter aus dem Regal zu holen und diesen mit ganz anderen Augen zu lesen. Plötzlich entdeckt man die Andeutungen und losen Enden, die Storm nicht weiter verfolgt hat.

Bettina Zwirlein

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Hauke-Haiens-Tod-ISBN-978-3-10-059010-7


Ich will so bleiben, wie ich bin - Hermien Stellmacher

 

"Lila Kühe, Eier mit Überraschungen"

Wie der Titel schon andeutet geht es um die Werbung. Ente Erna schaut zu gerne Fernsehen und liebt die Werbung über alles. Sofort muss sie ihren Freunden auf dem Bauernhof davon erzählen. Das führt natürlich zu einigen Katastrophen. Die Hühner versuchen vergeblich Überraschungen in die Eier zu bekommen, die Kühe schaffen es nicht lila zu werden und auch der Kater quält sich nur bei dem Versuch dünner zu werden. Alle Tiere auf dem Bauernhof haben es nach kurzer Zeit satt, sich diesen "Idealen" zu unterwerfen. Durch einen Trick gelingt es ihnen auch die Ente Erna davon zu überzeugen: "Ich will so bleiben, wie ich bin". Mir gefällt diese Geschichte deshalb so gut, weil sie Kindern vermittelt, sich mit ihren Stärken und Schwächen anzunehmen. Die Werbung im Fernsehen wird hier auf lustige Art und Weise kritisiert.

Dirk Zwirlein

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Das Klingsor-Paradox - Jorge Volpi

 

Kurzbeschreibung:

Das Klingsor-Paradox ist zugleich Wissenschaftskrimi und eine Geschichte der Quantenphysik, ein Thriller, der im Nazideutschland spielt, und eine Geschichte über den Zufall im 20. Jahrhundert, ein metaphysisches Spiel mit dem Leser und die Erzählung über die Verwandlung der Wahrheit in einer Zeit, in der Verrat und Ungewißheit herrschten. Zu der Zeit, in der in Berlin die Mauer fällt, erinnert sich der deutsche Mathematiker Gustav Links, der Aufstieg und Fall der Naziherrschaft miterlebt hatte, an sein Leben, das auf fatale Weise mit dem des Oberleutnant Francis P. Bacon verbunden ist, einem jungen nordamerikanischen Physiker, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs eine wichtige Mission auszuführen hatte.

"Die Versuchungen der Macht"
Ein Wissenschaftsthriller, der in der Nazizeit und im Nachkriegsdeutschland spielt, ein Roman, der die großen physikalischen Entdeckungen und Theorien des 20. Jahrhunderts auf das Spannendste mit Politik, menschlicher Schwäche und Größe verflicht. Ehrgeiz und Machtwille spielen hinein, die Fallstricke der Liebe, die Verwirrungen des Begehrens und immer wieder Verrat. Komplizen und zugleich Gegenspieler sind der deutsche Mathematiker Gustav Links, der die Geschichte erzählt, und der junge amerikanische Physiker Francis Bacon, der auf der Suche nach "Klingsor" nach Deutschland geschickt wurde. Klingsor ist der Deckname des großen Unbekannten, der in der Zeit des Nationalsozialismus über die deutsche Forschungspolitik herrschte und auch für Hitlers Atomprojekt verantwortlich war. Die Romanhandlung ist fiktiv; der Hintergrund ist es nicht, und deutsche Physiker, am rätselhaftesten Werner Heisenberg, waren sehr wohl in die Versuchungen der Macht verstrickt. Jorge Volpi hat, wie ein Kritiker sagte, einen deutschen Roman in spanischer Sprache verfasst. Einen äußerst tiefgründigen und raffinierten Roman, der subtil mit den Begriffen der modernen Physik spielt - Relativität, Unbestimmtheit, Zufall. Der junge mexikanische Autor ist in den spanischsprachigen Ländern schon ein Star - das "Klingsor-Paradox", ausgezeichnet mit dem renommierten Literaturpreis Premio Biblioteca Breve, ist der erste Roman, der ins Deutsche übersetzt wurde. Volpi ist einer der Gründer der literarischen Gruppe Crack, die zu den Wurzeln der 68er Generation zurückkehren will und sich gegen den nordamerikanischen Neorealismus und die Nachahmer des magischen Realismus wendet.

Dirk Zwirlein

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Von Sappho bis de Chirico - Reiner Schrader

 

"Schöne Melancholie"

Dieses Buch bietet eine bunte Mischung aus eigenen Gedichten, Nachdichtungen bekannter Verse, lyrischen Bildbetrachtungen und - teils erklärenden, teils unterhaltenden - Fußnoten, durch die sich wie ein roter Faden das Thema "Vergänglichkeit" zieht. Die Gemälde müsste man als Leser natürlich vor Augen haben, um die sprachliche Umsetzung beurteilen zu können, aber das würde die Kosten für so eine Veröffentlichung wohl unangemessen in die Höhe treiben. In jedem Fall sehr klare, rhythmisch strenge Zeilen, die zudem manche gängige Übersetzung, die verworren feinsinnig daherkommt, überhaupt erst verständlich machen. Eine abwechslungsreiche, klangvolle Lektüre, die auch zum Nachdenken zwingt.

Dieter van Bocksen

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Die unschuldigen Jahre - Sibylle Mulot

 

Der Roman malt ein Familienporträt der mittleren 1960er Jahre in Süddeutschland. Zwischen den Zeilen spürt man bereits den Keim der kommenden 68er Bewegung, aber insgesamt ist die trügerische Idylle geprägt von noch nicht bewältigten Kriegs- und Nachkriegsereignissen. Völlig unspektakulär erzählt die Autorin von den drei Schwestern Deina, Astrid und Marie, genannt Mimi. Die beiden Älteren befinden sich bereits in der Ausbildung und pflegen ihre ersten Männerbekanntschaften, während die 14jährige Mimi zuschauend und zuhörend, manchmal staunend und ratlos daran teilhaben darf. Die Mutter versucht, ihre Töchter und möglichst ihr gesamtes Umfeld zu kontrollieren und nach ihren spießbürgerlichen Vorstellungen zu gestalten, während der Vater sich auf eine freundliche Art von seinen vier Frauen überfordert zeigt. Er hat überdies noch an einem Päckchen aus vergangenen Zeiten zu tragen, allerdings nicht allzu schwer.

Alle drei Schwestern, so wenig sie einander ähneln, sind sich einig in ihren Vorstellungen über die Möglichkeit verschiedener Lebensentwürfe für junge Frauen und in ihrem innerlichen Aufbegehren gegen die Mutter. Sie teilen ihre Geheimnisse und die gesellschaftlichen Höhepunkte des Ortes und natürlich die jährlich wiederkehrenden Familienrituale.

Erst gegen Ende des Romans spaltet die beiden älteren Schwestern jäh ein Ereignis, an dessen Entwicklung Mimi glaubt mitschuldig zu sein. Die Trennung wäre vermeidbar, wird aber von der Betrogenen gewollt und radikal vollzogen. Trotz der Trauer und Empörung, die auch die Leserin ergreift, mag man in einen der letzten Sätze Mimis einstimmen, die in einem Brief an einen gemeinsamen Freund rückblickend schreibt: „Alles ist gut so, wie es ist.“

Ein Roman, der einen zunächst etwas ratlos lässt, weil man nicht weiß, worauf er hinsteuert. Dennoch fesselt er von Anfang an dadurch, dass durch wenige Sätze oder kurze Bemerkungen der Protagonisten sehr schnell ein Bild des (Zeit)-Geistes entsteht, der diese Familie und ihr Umfeld prägt. Man ist hin und her gerissen von der kleinbürgerlichen Spießigkeit - vor allem der Mutter - einerseits und der geschwisterlichen Idylle andererseits. Ob die geschilderten Entwicklungen folgerichtig oder zwangsläufig sind, mag jeder Leser/ jede Leserin selbst entscheiden – in höchstem Maße glaubwürdig sind sie in jedem Fall.

Inga Brömel-Schäfer

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Die-unschuldigen-Jahre-ISBN-978-3-257-23247-9


Weg der Träume - Nicholas Sparks

 

"Romantik pur"
Für die perfekten Liebesgeschichten, mit einer Mischung aus zwei Dritteln Romantik und einem Drittel Schmerz, gibt es unter den Autoren nur eine literarische Adresse: Nicholas Sparks. Jedes seiner Bücher hat unaufhaltsam den Weg in die Bestseller-Listen beschritten. Sein neuer Roman, es ist bereits der fünfte, "Weg der Träume", ist die ideale Lektüre für einen verregneten, kalten Abend. Miles lebt in North-Carolina und hat seine große Liebe schon mit siebzehn kennen gelernt. Missy ist seine erste richtige Freundin und nach seiner Berufsausbildung als Sheriff heiratet er sie vom Fleck weg. Schon bald kommt ihr Sohn Jonah zur Welt. Ihr Familienleben ist harmonisch, bis zu dem Tag, als Missy tödlich verunglückt. Das Glück liegt in Sekundenschnelle in Scherben. Als zuständiger Sheriff kann Miles auch zwei Jahre nach Missys Tod nicht klären, ob es sich bei ihrem Tod um einen Unfall oder ein Verbrechen gehandelt hat. Der Fahrer des Wagens, der seine Frau tödlich verletzte, hat sich aus dem Staub gemacht und konnte nicht ermittelt werden. Für Jonah, der seit dieser Zeit unter quälenden Träumen leidet, und Miles beginnt eine schwere Zeit. Die neue Lehrerin, Sarah, erkennt bei Jonah erhebliche Lerndefizite und ist bereit, ihm über seinen Kummer hinweg zu helfen. Dabei kommt sie auch Miles näher. Für Spannung sorgen die eingestreuten Notizen des Unfallverursachers. Lange ist seine Identität geheim. Seine Aufzeichnungen bewirken, dass der Roman sich nicht in himmelblauen und rosaroten Wolken auflöst. "Weg der Träume" ist ein luftig leicht geschriebener Liebesroman, mit allen notwendigen emotionalen Verwicklungen, der sich am besten mit einem Glas Sekt im Schaumbad genießen lässt.

Beate Arzberger

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Phönix aus Asche - Henning Boetius

 

Für dieses Buch hat der Autor unzählige historische Dokumente gesichtet und hatte doch die beste Quelle immer zur Seite; sein Vater war zur damaligen Zeit Offizier auf der Hindenburg und ist heute der letzte Überlebende der damaligen Katastrophe.

Als im Mai 1937 das Luftschiff "Hindenburg" explodiert, befindet sich auch der Journalist und Schriftsteller Birger Lund an Bord. Er überlebt, doch auch nach Jahren lässt ihn das Unglück nicht zur Ruhe kommen. Er will die wahre Ursache der Katastrophe herausfinden und macht sich auf die Suche nach dem Offizier, der am Höhenruder stand. Er findet Edmund Boysen und in langen Gesprächen gelingt es den Männern dem Geheimnis auf die Spur zu kommen. Die Beschreibungen dieser beiden grundverschiedenen Männer auf der Suche nach persönlicher Erfüllung und Liebe macht den großen Reiz dieses Buches aus. Ganz nebenbei erfährt man auch viel über die Technik und das Zusammenleben auf den Flugschiffen der damaligen Zeit.

Bettina Zwirlein

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Teufelsbrück - Brigitte Kronauer

 

Kurzbeschreibung:

Eine nicht ganz herrschaftliche Villa im Alten Land an der Elbe. Zara wohnt hier, mit ihrer einzigartigen Schuhsammlung und tropisch bepflanzten Vogelvolieren. Und mit Leo, dem etwas undurchsichtigen Finanzjongleur mit kriminellem Charisma. Als Maria, die Erzählerin, dort eines Tages ihren ersten Besuch macht, ist sie bald gefangen in einem Netz interessanter Intrigen, deren Verlockungen sie sich gern ergibt. Neun Abende lang erzählt Maria, hören wir der Geschichte einer Leidenschaft zu. Hals über Kopf und hochbewusst stürzt sich Maria in ein Abenteuer mit Leo. Amüsiert schaut sie zu, wie ihr Vorortleben -mit Einkaufszentrum, lieben Freunden und wohlmeinenden Anbetern- eine lustvolle Beschleunigung bekommt: Soireen in gemischter Gesellschaft, Liebesnächte und eine erotische Tour nach Heidelberg. Und doch hat sie das Gefühl, nicht ganz die Herrin dieser Geschichte zu sein. Spät, in den verschneiten Bergen eines Schweizer Alpendorfs, erkennt Maria die Wahrheit hinter denEreignissen - die Regie. Und sie fürchtet den Augenblick, in dem es mit ihrem Bericht ein Ende hat . . . Märchenhaft und zuweilen fast übermütig in seinem Reichtum an Momenten ekstatischer Wahrnehmung, erzählt dieser Roman von einer Verzauberung und ihrer Aufhebung durch einen Gewaltakt. Auf dem Höhepunkt ihrer Kunst erzählt Brigitte Kronauer diesen großen Roman, der in die Tradition der deutschen Literatur und in aktuellste Gegenwart tief eingelassen ist.

"Warum "ziküth"?"
Also, mit der Handlung ist nicht viel Staat zu machen. Das meiste passiert im Kopf der Ich-Erzählerin. Sie grübelt, urteilt, bewertet - da kriegt jede(r) ihr (sein) Fett ab. Grell genug sind sie ja, diese Gestalten, die ihr über den Weg laufen, viel zu grell eigentlich für das biedere Osdorf und sein Altländer Pendant am anderen Elbufer, jenseits von "Teufelsbrück". Aber eben recht, um wortreich, bildreich, gedankenreich beschrieben und analysiert, geliebt, gehasst und verachtet zu werden, mit kühler Distanz und geradezu bissiger Einfühlsamkeit. Die Kargheit der Handlung kontrastiert auffällig mit der Fülle der Assoziationen, die sich immer wieder verschwenderisch im inneren Monolog entfalten und eine bunte, bisweilen bizarre Welt beschwören. Klar: So etwas liest sich nicht obenhin. Man muss konzentriert sein, um den Faden nicht zu verlieren - der einem doch spätestens bei den zahllosen Tirilis und Ziküths entgleitet, die mit manischer Gleichmäßigkeit in den Text gestreut sind. Sind sie, die liedhaft verspielten, sibyllinischen Träller der eigentliche Schlüssel zum Verständnis? Ganz am Schluss, wenn der Roman nach der dramatischen Wende in eine weitere, dunklere Katastrophe ausklingt, drängt sich einem ein schrecklicher Verdacht auf, der, träfe er zu, schlagartig alles Vorhergehende erhellen würde. Und erst hier - so habe ich es empfunden - wird die Mühe belohnt, sich dem ausufernden Redeschwall bis zuletzt gestellt zu haben.

Reiner Schrader

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Teufelsbrueck-ISBN-978-3-608-93070-2


Der Tote im Fleet - Boris Meyn

 

Kurzbeschreibung:

Hamburg 1847: Eines Nachts wird ein unbekannter toter Mann aus dem Fleet gezogen. Die einzige Spur: zwei Ziegelsteine im Gehrock des Toten. Commissarius Bischop stößt auf höchst verdächtige Machenschaften in der Hamburger Politik nach dem großen Brand 1842.

"Spur der Steine"
Hamburg 1847. Aus dem Fleet am Rödingsmarkt wird ein Toter geborgen, Opfer eines Verbrechens. Identität: unbekannt. Doch zwei Ziegelsteine, die er bei sich trägt, bringen die Polizei auf die richtige Spur. Und die ist nicht nur heiß, sondern auch höchst brisant. Denn was sich da Steinchen für Steinchen zum möglichen Mosaik der Tat und ihrer Hintergründe zusammenfügt, führt die Fahnder bis zu den Schaltstellen hamburgischer Politik. Und in die Grauzone von Nepotismus und Spekulation, denen sich mit dem Großen Brand von 1842 und der anschließend notwendigen Neuorientierung der städtebaulichen Entwicklung ein "reiches" Betätigungsfeld bot. E i n Objekt der Begierde: Hammerbrook - vor der Katastrophe, die weite Teile der Hamburger Innenstadt in Schutt und Asche legte, feuchtes, wertloses Brachland, danach ein wichtiges Stadterweiterungsgebiet mit entsprechend höheren Bodenpreisen. Dies alles ist - wie der Autor am Ende noch einmal betont - weitgehend Fiktion, ein Balanceakt zwischen historischen Fakten und dichterischer Fantasie. Geglückt ist diese Althamburg-Moritat aber allein schon deshalb, weil sie auf spannende Weise Einblicke in die hamburgische Politik, Architekturdebatte und Stadtgestalt um die Mitte des 19. Jahrhunderts gibt und vor unseren Augen ein lebendiges Bild dieser einschneidenden Epoche der Stadtgeschichte erstehen lässt. Wer Krimis liebt und etwas von Hamburg kennt, findet hier eine ebenso unterhaltsame wie lehrreiche Lektüre - und nicht zuletzt eine interessante Wendung auf die Anfänge eines Quartiers, das trotz seines geringen Alters schon auf ein wechselhaftes Schicksal zurückblickt.

Reiner Schrader

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Der-Tote-im-Fleet-ISBN-978-3-499-22707-3


Lieder aus der Stille des alten chinesischen 'Meisters vom Kalten Berge' - Reiner Schrader

 

In diesem Buch steckt mehr, als man hinter der schlichten Aufmachung vermuten würde. Die Gedichte Han Shans, neu übersetzt und datei zum ersten Mal gereimt, bekommen wieder ein poetisches Gewicht, das ihnen bei den bisherigen wörtlichen Übersetzungen abhanden gekommen ist. Mehr noch: Manches, was in den "prosaischen" Versionen unverständlich erscheint, ist hier auch für Leser, die Kultur und Religion des Fernen Ostens nur flüchtig kennen, plausibel wiedergegeben. Der Versuch Reiner Schraders, die Schönheiten chinesischer Dichtkunst in eine dem Europäer geläufige lyrische Form umzugießen und dabei erst richtig deutlich zu machen, scheint mir sehr gut gelungen.

Dieter van Bocksen

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Lieder aus der Stille des alten chinesischen 'Meisters vom Kalten Berge' ISBN 978-3-89811-307-6


Mason und Dixon - Thomas Pynchon

 

"Im Grenzgebiet der Fantasie"
In der Mason and Dixon Line sind sie verewigt, so untrennbar, wie sie es im Leben waren: Charles Mason und Jeremy Dixon, die britischen Landmesser, die in den Jah-ren 1763 - 67 die Grenze zwischen Maryland und Pennsylvania schnurgerade auf 39º 43' 26'' nördlicher Breite zogen. Bis zum amerikanischen Bürgerkrieg 1861 - 65 schied diese Grenze die Bundesstaaten mit von denen ohne Sklaverei, und bis heute gilt sie als Trennlinie zwischen den nördlichen und den südlichen Staaten im Osten der USA. Diese Grenzziehung steht im Mittelpunkt von Pynchons Roman, der auf über 1000 Seiten nicht nur die schwierige Pioniertat, sondern vor allem auch die lebenslange Freundschaft der beiden Männer erzählt. Dabei entfaltet er ein ebenso breites wie buntes Panorama der Neuen Welt, die am Vorabend ihrer Unabhängigkeit stand: Wir erleben - auch in zahlreichen Dialogen gespiegelt - die Aufregungen jener Tage mit ihren politischen und religiösen Querelen, ihren Kämpfen und Gräueln, ihren oftmals skurrilen Gestalten und abergläubischen Träumereien. In lebendiger, bilderreicher Sprache präsentiert der Autor philosophischen Tiefgang ebenso schwerelos wie schelmische Heiterkeit. Nebenbei erfahren wir eine Menge über die damaligen Messmethoden und die tausend Schwierigkeiten, denen die Landmesser mit ihrem Tross in einem weitgehend noch unerschlossenen Land und bei einer dickschädeligen, misstrauischen Bevölkerung ausgesetzt waren. Wegen der sachkundig geschilderten Vermessungsarbeiten und des historischen Kerns ist dies wohl auch eine lohnende Lektüre für Fachleute. Die Fülle der Figuren und Episoden, die das Ganze in einem schillernden Schauzug umrahmen, macht das Buch aber vor allem zu einer Fundgrube für Freunde unbeschwerter Fabulierlust.

Reiner Schrader

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Mason und Dixon ISBN 978-3-499-22907-7


Naked - David Sedaris

 

Eine autobiographische Short-Story-Sammlung aus David Sedaris' Lehr- und Wanderjahren: Komisch, witzig, anrührend, exzentrisch, pingelig, charmant, schräg, furios, sensationell, subversiv, abenteuerlich, melancholisch, sarkastisch, klug, hinreißend, abgefahren!!!

David Sedaris ist mit seinen 6-Minuten-Sendungen auf NPR innerhalb kürzester Zeit vom normalen Mitbürger zum Kulterzähler avanciert. Seine autobiografischen Erzähungen Naked sind inzwischen in den großen Sprachen erschienen. Nackt schildert das Leben aus der Sicht von ganz unten. David ist ein neurotischer Junge mit einem starken Widerholungszwang. So steht er nachts auf, um zu kontrollieren, ob das Mayonnaiseglas fest verschraubt ist. Oder das: „Ich gewöhnte mir an, brutal mit dem Kopf zu wackeln, von dem Gefühl aufgestachelt, welches mein Hirn hervorrief, wenn es gegen den einengenden Schädel schwappte. Es fühlt sich so gut an und nahm so wenig Zeit in Anspruch: Nur ein paarmal schnell geruckelt, und ich war bis zu fünfundvierzig Sekunden lang friedigt." Erfrischend neurotisch, und doch ganz normal - ...

Dirk Zwirlein

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Naked ISBN 978-3-453-87319-3


Das Buch Haithabu - Claus-Peter Lieckfeld

 

"Norddeutschland zur Wikingerzeit"
Ein fränkischer Mönch, den es Ende des 9. Jahrhunderts nach Norden zu den Sachsen verschlagen hat, schildert in einer fiktiven Chronik Ereignisse aus dem Leben eines jungen Mannes, dem er sich als väterlicher Freund verbunden fühlt. Dieser Jüngling, in dessen Adern selbst Wikingerblut fließt, hat früh Vater und Mutter durch einen Überfall der Nordmänner auf sein (und des Mönchs) Heimatdorf Ramsolano (Ramelsloh) verloren. Ein traumatisches Erlebnis, das ihm nicht mehr aus dem Sinn geht. Als er herangewachsen ist, begeben sich Jüngling und Mönch gemeinsam auf Fahrt nach Haithabu - der Gottesmann, um in der Nachfolge des heiligen Ansgar in der blühenden Handelsstadt am Südrand des Dänenreichs die Heiden zum Christentum zu bekehren, sein junger Begleiter, um den Mörder seiner Eltern, der als angesehener Jarl über den Ort herrscht, zur Rechenschaft zu ziehen. Diese Erzählung, im ruhigen Ton des Chronisten geschrieben und mit allerlei altertümlichen Redewendungen und lateinischen Zitaten atmosphärisch koloriert, kreist - trotz manch einschlägiger Episode - nicht in erster Linie um Schwerterkampf und Schlachtenlärm. Sie gestattet uns vielmehr einen Blick auf die Lebensverhältnisse jener Zeit, die im ethnischen Spannungsfeld von Franken, Sachsen, Wikingern und Slawen und im religiösen von Thorskult und Christusbotschaft besonders gewalttätig, unsicher und wechselhaft waren. Sie ist auf unterhaltsame Weise vermittelte Geschichte und zeigt vor allem den Hamburgern und Bremern die Anfänge ihres Gemeinwesens als Vorposten von Reich und Kirche in schwierigem Grenzland. Wenn auch am Ende Fragen zu den Personen und Geschehnissen offen bleiben, bietet sie doch eine ebenso lehrreiche wie anregende Lektüre. Und Leserinnen und Lesern, die die Möglichkeit haben, in Haithabu durch die schönen Museumsräume zu wandern und den Lageplatz der historischen Siedlung zu betreten, kann sie sicher helfen sich zu vergegenwärtigen, dass am Noor nicht nur unzählige "Grabungsfunde" geborgen und zur stilvollen Bewahrung aufbereitet wurden, sondern auch lange vor unserer Zeit Menschen aus Fleisch und Blut gelebt haben.

Reiner Schrader

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Das Buch Haithabu ISBN 978-3-442-44393-2


Hilfe, die Herdmanns kommen - Barbara Robinson

 

"Wir sind ja gaaanz anders...."
Die Herdmann Kinder sind die frechsten Kinder aller Zeiten: Sie lügen, rauchen, klauen und sind schmuddelig. Aber ausgerechnet in diesem Jahr haben sie beschlossen, sämtliche Rollen im Krippenspiel zu belegen. Natürlich geht das nicht, ohne ein wenig Druck auf die Klassenkameraden auszuüben, Jeder erwartet nun das fürchterlichste Krippenspiel aller Zeiten. Schon die Vorbereitungen sind turbulent, denn z.B. auf die Frage, warum denn neimand Marria etwas zu essen mitgebracht hat, weiß auch die Lehrerin keine rechte Antwort und so nimmt das Spiel seinen Lauf. Das Buch ist nicht neu, kann aber gerade in der Vorweihnachtszeit einmal mehr zu einem absoluten Lieblingsbuch werden. Frech, lustig und ohne erhobenen Zeigefinger wird hier die Weihnachtsgeschichte erzählt und Bekanntes oft auch hinterfragt.

Bettina Zwirlein

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Hilfe, die Herdmanns kommen ISBN 978-3-7891-1989-7


Finnische Tangos - Marjaleena Lembcke

 

Kurzbeschreibung:

Eine Frau erhält nachts einen Anruf aus Finnland, ihrer alten Heimat. Raimo ist betrunken und macht ihr Vorwürfe, die sie kaum versteht. Erst am nächsten Morgen begreift sie, daß es wohl ein Hilferuf war: Selja, ihrer Freundin aus Kindertagen, geht es schlecht. Widerstrebend reist die Frau nach Finnland, in die Stadt ihrer Kindheit, zurück. Eine Geschichte über die Suche nach Heimat und Freundschaft. Poetisch und melancholisch wie die finnischen Tangos in den langen hellen Sommernächten.

"Das Flair Finnlands und die Wehmut enttäuschter Träume."
Nach vielen Jahren im Ausland ein Besuch in der Heimat. Eine vorsichtige, fast scheue Annäherung an einst vertraute Stätten, vertraute Menschen. Erinnerungen werden wach, gemeinsame Erlebnisse vor allem mit der Kindheits- und Jugendfreundin, der dieser Besuch in erster Linie gilt. Die Wiedersehensfreude aber erstickt im Keim: Die alte Enge, der alte Frust, die alten Probleme - und bei aller Gastfreundschaft überall dieser heroische Sarkasmus, diese nüchterne Direktheit ohne Wärme und Takt. Das Land ist immer noch das, aus dem man sich hinausträumt in eine bessere Welt, eine, die bunter und fröhlicher ist. Sein Sinnbild: Der Tango - nicht glutvoll wie in den Bars Argentiniens, sondern schmelzend und schwermütig wie die Seen zwischen dunklen Kiefernwäldern, wie die helle Sommernacht am Strand, wenn die Juhannus-Feuer leuchten. In jeder Zeile, in jedem Wort erkennen wir: Marjaleena Lembcke hat ein Buch über Finnland geschrieben. Das wäre schon lesenswert genug. Aber sie schrieb auch über Träume und was davon bleibt.Und das geht uns alle an - auch wenn wir sie nie gesehen haben, diese strahlenden Augen, freitags im Alko-Laden, wenn man für zwei kurze Tage wieder das Glück des Vergessens gekauft hat

Reiner Schrader

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Finnische Tangos ISBN 978-3-312-00247-4


Der gute Affe - Frans de Waal

 

Kurzbeschreibung:

»Warum sollten unsere Niedertracht und Bosheit die Bürde einer Vergangenheit als Affen und unsere Gutartigkeit eine allein dem Menschen vorbehaltene Eigenschaft sein? Warum sollten wir nicht auch, was unsere »edlen« Charakterzüge betrifft, nach einer Kontinuität mit anderen Tieren suchen?« (Stephen Jay Gould). Der Primatologe und Verhaltensforscher Frans de Waal hat diese für das Verständnis der Tiere, aber auch unserer selbst fundamentale Frage entschieden mit Ja beantwortet. In seinem Werk begegnen wir den Tieren als wissenden, wollenden und fühlenden Geschöpfen, als Lebewesen in einem Evolutionskontinuum, in dem sich die Voraussetzungen für Moralität lange vor Erscheinen des Menschen ausgebildet haben.
Moral und Ethik sind älter als der Mensch, tugendhaftes Verhalten fußt auf einem genetischen Fundament, das in den Grundzügen bereits beim Affen angelegt ist. So lautet die provokante These des Primatologen und Verhaltensforschers Frans de Waal. Seine Beobachtungen an Primaten ergeben, daß diese genauso wie Menschen Gut und Böse, Falsch und Richtig oder Recht und Unrecht erkennen. Anhand wunderbarer, überraschender Geschichten ist ein spannend zu lesendes und anschaulich in die fortgeschrittenste Verhaltensforschung einführendes Buch entstanden, das erste Antworten auf die Frage gibt, ob Tiere Verhaltensweisen an den Tag legen, die der Güte und gewissen Regeln moralischen Verhaltens beim Menschen entsprechen.

"Die Geburt der Moral aus dem Geist der Gruppe."
Mit einer Fülle von Beispielen aus dem Alltag von Affen, Menschenaffen und anderen Säugetieren belegt de Waal eindrucksvoll die entwicklungsgeschichtlichen Ursprünge "moralischen" Verhaltens. Bei Tieren, die sich wegen besserer Überlebenschancen in Gruppen organisiert haben, zeigen sich mit mehr oder weniger Intensität Fürsorglichkeit, Zusammenhalt, Freundschaft und Methoden zur Konfliktbewältigung, die letztlich dem Ziel dienen, die Gruppe als solche mit ihren vielfältigen Vorteilen für das Individuum nicht zu gefährden. Das Gefühl für Richtig und Falsch ist demnach tief in der Evolution verwurzelt und mehr als eine kulturelle Hülle, die man bei der erstbesten Gelegenheit wieder abstreift. Für die Konflikte der Menschheit liegt darin allerdings wenig Tröstliches. Ist dieses Gefühl doch nur dort wirksam, wo man - als Ansammlung verschiedener Familien und Sippen - "unter sich" und in stetem Umgang miteinander vertraut ist (und sich zudem, weil kein Mangel an lebenswichtigen Gütern herrscht, Altruismus leisten kann). Bis wir dahin kommen, dass wir uns über unseren engeren Umkreis erheben und auch dem Fremdartigen aggressionsfrei begegnen, ist wohl noch viel "kulturelle" Arbeit vonnöten. Die Evolution, auch das wird bei de Waal immer wieder deutlich, kennt für den, der nicht "dazugehört", nämlich nur eine Strategie: nackte Gewalt.

Reiner Schrader

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Der gute Affe ISBN 978-3-446-18962-1


Esels Welt - Ulrich Voigt

 

Kurzbeschreibung:

Der Mensch mag sich nicht damit abfinden, daß sein Gedächtnis unvollkommen ist. Er greift deshalb zu künstlichen Mitteln, um seiner natürlichen Schwäche zu begegnen. So entstehen neue Gewohnheiten. Die Welt erscheint ihm in neuem Lichte. Bald ist er nicht mehr der Mensch, der alles verstehen will, sondern der Esel, der sich alles merken möchte.
Wenn Esel nun mit System und Intelligenz daran gehen, für alle möglichen Zwecke geeignete Krücken und Brücken herzurichten und vorzubereiten, entsteht Mnemotechnik.

Zum Buch
Mnemotechnik wird von Grund auf erklärt und entwickelt, geschichtlich dargestellt und philosophisch durchleuchtet. Im Zentrum steht dabei die Struktur der Brücke. Esels Brücke! Sie hat zwei Pfeiler und eine Wölbung. So einfach. Und so grundlegend. Die Verbindung von Brücken nennt der Autor Assoziation oder vielmehr Esels Assoziation.Eine spannungsreiche und weit ausgefächerte Sammlung verschiedener Formen wird vor dem Leser ausgebreitet.

Jener Pfeiler der Brücke, auf dem nun das ganze Gewicht ruhen soll, ist entweder ein Bild oder ein Ort oder ein Wort oder eine Farbe oder wer weiß, was. Der Autor möchte am liebsten, daß er eine Geschichte sei. Er geht der Sache auf den Grund und fragt nach den Bedingungen, denen eine mnemotechnische Geschichte genügen sollte, damit sie auch gut funktioniert. Wie merkt sich der Mnemotechniker Zahlen? Verschiedene Methoden werden nebeneinander gestellt und gegeneinander abgewogen. Am Ende wird eine hervorgehoben, und es wird vorgeführt, wie man sich damit 2000 Stellen der Zahl pi merken könnte.



"Gedächtnisstütze für Mnemotechnik"
Leichte Kost ist sie nicht, diese Einführung in die Welt des Esels, der sich Brücken baut, um seinem Gedächtnis aufzuhelfen. Das kann bei einer Abhandlung, die der mnemotechnischen Theorie und Praxis von der Antike bis in unsere Tage nachspürt, auch gar nicht sein. Sind es doch - von Aristoteles über Giordano Bruno bis zu Hegel und Husserl - die erlauchtesten Geister, die sich die Philosophenköpfe über Vorzüge und Grenzen dieser diffizilen Kunst zerbrochen haben. So liegt der Wert des Buches zunächst schon einmal darin, uns diese abendländischen Berühmtheiten aus den einschlägigen Quellen heraus von einer Seite zu zeigen, die wir an ihnen bisher gar nicht oder nur flüchtig wahrgenommen haben. Indem der Autor uns an ihren Systemen, Versuchen und kritischen Erwägungen zu diesem "reizenden" Thema teilhaben lässt, führt er uns - trotz der unvermeidlichen Fachlichkeit - mit heiterem, gewandtem Zungenschlag fast unmerklich bis in die innersten Gemächer der Mnemotechnik, beschreibt ihr Baumaterial, ihre vielfältige Struktur und ihre Eignung für den jeweils angestrebten Zweck. Dabei wird deutlich: Die im Allgemeinen trockene Materie, die es zu bemeistern gilt (Zahlenkolonnen, Paragraphenberge), lässt sich durch die gedächtnisstützende Bildsprache und eine gehörige Portion Fabulierlust nicht unbeträchtlich "versüßen". Das Ganze gipfelt in einer ausführlichen Präsentation des Verfahrens, dem der Autor selbst den Vorzug gibt, anschaulich gemacht an einem phantasievollen mnemotechnischen Bummel durch Hamburgs Amüsierviertel. Wer wissen will, wie außergewöhnliche Gedächtnisleistungen möglich sind, findet hier nicht nur eine sachkundige und engagierte Darstellung, sondern auch einen ebenso lehrreichen wie vergnüglichen Streifzug durch ein weitgehend unbekanntes Kapitel Philosophiegeschichte.

Reiner Schrader

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Esels Welt ISBN 978-3-935498-00-5


Eins zu einer Million - Mark Monmonier

 

Kurzbeschreibung:

Haben Sie es nicht schon einmal erlebt, daß Sie eine Straße befahren wollten, die Ihr Atlas als günstige Abkürzung auswies, die aber, wie Sie leidvoll feststellen mußten, entweder gar nicht vorhanden oder noch im Bau war? Solche Erfahrungen bringen unseren Glauben in die absolute Korrektheit von Karten ins Wanken. Und das zu Recht.

Mark Monmonier beschreibt auf amüsante und unterhaltsame Weise, wie sogar auf den hochamtlichen topographischen Karten die Darstellung der Realität verändert und manipuliert wird. Viele dieser Manipulationen sind zwar notwendig, um eine Karte überhaupt lesbar zu machen. Doch neben diesen professionellen Notlügen zeigt uns Mark Monmonier auch, wie Karten ganz bewußt verfälscht werden. Zum Beispiel für politische und militärische Propaganda oder - ganz schlicht - von Immobilienmaklern, die versuchen, ihre Objekte durch gewisse Verschönerungen der kartographischen Darstellung teurer an den Mann oder die Frau zu bringen.

Ganz nebenbei zeigt Ihnen dieses Buch aber auch, aus welchen Elementen Karten aufgebaut sind und wie diese einzelnen Elemente zu einem Ganzen zusammenspielen. Der schwierigen Erstellung und dem skeptischen Umgang mit statistischen Karten ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Auch auf die Verwendung von Farbe in Karten wird ausführlich eingegangen.

Der Autor: Mark Monmonier ist Professor für Geographie an der Syracuse University. Er war selbst jahrzehntelang professioneller Kartograph und ist Autor zahlreicher Fachartikel und populärwissenschaftlicher Bücher, die sich mit dem Handwerk des Kartenherstellens kritisch und kreativ auseinandersetzen.

"Von den Grenzen der Kartographie."
Wer eine Landkarte zur Hand nimmt, macht sich wohl kaum Gedanken darüber, wie sie zustande kommt - Hauptsache, sie hilft weiter. Dabei ist das, was auf der Karte erscheint, keineswegs selbstverständlich in dem Sinne: So und nicht anders. Karten sind kein getreues Abbild der Erde, sie sind ein Produkt gezielter Auswahl - Stichwort: Generalisierung. Das heißt: Angefangen mit den darzustellenden geographischen Objekten über die verschiedenen Maßstäbe und Signaturen bis hin zur graphischen Gestaltung gibt es Vorgaben und Zwänge, die das Bild der Wirklichkeit mehr oder weniger verändern, verfälschen und verzerren. Monmonier legt den Finger auf diese Wunde. Sein locker, aber sachkundig geschriebenes Buch schärft den Blick für die Unzulänglichkeiten der unterschiedlichsten Kartenarten, die bis zur bewussten Manipulation reichen können. Dennoch scheint mir der deutsche Titel etwas zu reißerisch und nicht zuletzt zu pauschal gegen "die" Kartographen gewählt - "How to Lie with Maps" im Original kommt der aufklärerischen Absicht des Autors wohl näher. Wie auch immer: Für interessierte Laien eine lesenswerte Einführung in Grundprobleme der Kartographie.

Reiner Schrader

(Originaltitel: How to Lie with Maps)


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Eins zu einer Million ISBN 978-3-7643-5391-9


Ketzer - Die andere Seite des frühen Christentums - Gerd Lüdemann

 

Kurzbeschreibung:

Das frühe Christentum zeichnet sich durch große Harmonie aus, und Ketzer sind erst viel später aufgetreten: So lautet seit nahezu 2000 Jahren die fast einhellige Meinung von Kirche und Wissenschaft. Eine unhaltbare Sicht und nichts weniger als Wunschdenken damaliger Ketzerbestreiter wie vieler heutiger Theologen - so der Göttinger Neutestamentler Gerd Lüdemann.
Unter Verwendung aller verfügbarer Quellen - darunter neuentdeckte gnostische Texte, die hier auszugsweise in deutscher Übersetzung erscheinen - zeigt er, daß häufig nicht die Rechtgläubigkeit der Ketzerei, sondern die Ketzerei der Orthodoxie vorausging. Machtfragen standen meist im Mittelpunkt des Interesses, und keine Seite schreckte vor Gewalt oder vor Fälschungen zurück.
Auf undogmatische Weise untersucht Lüdemann die Positionen der Christen im Jerusalem der ersten zwei Jahrhunderte: Sie waren es, die den Begriff der Ketzerei in die Kirche einführten und den Apostel Paulus als ersten Ketzer der Christenheit brandmarkten. Lüdemann zeichnet ein lebendiges Porträt des Paulus, berichtet u.a. von den dramatischen Vorgängen um Markion - dessen Werk von der Kirche unterdrückt wurde - und rekonstruiert die Ausbildung des neutestamentlichen Kanons, der als Produkt der siegreichen Partei am Ende des zweiten Jahrhunderts vorlag.
Als Konsequenz aus Lüdemanns Analysen ergibt sich zwingend, daß die Bibel nicht als Gotteswort oder Heilige Schrift angesehen werden kann. Vielmehr ist ihre Christlichkeit zu messen an ihrer Nähe zu Jesus.
Von Schuttmassen kirchlicher und biblischer Tradition befreit, ersteht Jesus neu in historischer Rekonstruktion und persönlicher Begegnung.

Dieses Buch handelt von der geistigen Auseinandersetzung des Urchristentums um das Erbe Jesu. Dabei zeigt der Autor, dass von Anfang an nicht sachlich diskutiert, sondern heftig um die wahre Lehre gestritten wurde, sei es in der praktischen Frage der Übernahme oder Ablehnung des jüdischen "Gesetzes", sei es in theoretischen Erwägungen etwa zur wahren Natur Jesu Christi. Dabei gab es nicht im Vorhinein ein Dogma, gegen das jemand verstieß und so zum Ketzer wurde, sondern man "verketzerte" sich vielmehr gegenseitig so lange, bis die eine oder andere Partei sich durchsetzte und ihre Meinung für die maßgebliche erklärte - auch hier schrieben die Sieger die (Kirchen-)Geschichte. Vor diesem Hintergrund ist auch die Entstehung des Neuen Testamentes zu sehen - nicht als geoffenbartes Gotteswort, sondern eine eher zufällige Zusammenstellung willkürlich kanonisierter, heterogener und teilweise sich widersprechender Schriften. Wenn es allein um diese Tatsache ginge, könnte man Lüdemanns Buch allerdings für überflüssig halten. Längst hat eine kritische Bibelwissenschaft die sehr irdischen Pfade nachzeichnen können, die in den Kanon des N.T. einmündeten. Aber: Was die Forschung in mühevoller Kleinarbeit herausfand, ist immer noch nicht Bestandteil der kirchlichen Verkündigung. Wenn der Pfarrer auf der Kanzel steht, "vergisst" er, was er im Studium gelernt hat. In diese Wunde legt Lüdemann, der streitbare Göttinger Neutestamentler, den Finger: Was er fordert, ist eine ehrliche Aufarbeitung des theologischen Wissenstandes und eine neue Einstellung zu Orthodoxie und Häresie: Prüfstein für beides sei nicht der beliebige Ausgang spekulativer Querelen, sondern allein die Worte und Taten Jesu als historischer (und nicht erst nachträglich interpretierter) Person. Wer den schwerfälligen Gang klerikaler Uhren kennt (die Rehabilitierung Galileis durch die Katholische Kirche erfolgte sage und schreibe erst 1992!), wird sich von Lüdemanns engagiertem Plädoyer leicht überzeugen lassen.

Reiner Schrader

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Ketzer - Die andere Seite des frühen Christentums ISBN 978-3-87173-078-8


Per Anhalter durch die Galaxis - Douglas Adams

 

Kurven im Kosmos
Der Buchtitel verweist auf den Titel eines Reiseführers durchs Universum (Motto: "Keine Panik!"), für den einer der Akteure arbeitet und seine Recherchen macht - im wahrsten Sinne des Wortes "weltweit". Denn für die Gestalten diese Romans sind die Grenzen von Raum und Zeit aufgehoben, ja selbst höhere Dimensionen bieten ihnen und ihren fantastischen Flitzern keine ernsthafte Hürde. So gelangen sie in kürzester Zeit an jeden beliebigen Ort und treffen auf eine Unzahl der seltsamsten, skurrilsten und monströsesten Typen, die man sich in den Weiten des Kosmos nur vorstellen kann. Die Story, Ende der siebziger Jahre ursprünglich als Serie für den Hörfunk konzipiert, lebt vom atmberaubenden Wechsel der Schauplätze, von packenden Abenteuern, einer alles vermögenden Technik und besonders einer saloppen, phantasievollen Sprache, die immer wieder mit umwerfend komischen Neuschöpfungen brilliert. Es ist eine köstliche Parodie auf die Sciencefiction-Literatur, die einem manchmal direkt an das Zwerchfell geht. 1002 Seiten Action, Spannung und Witz - ein Vergnügen der galaktischen Art.

Reiner Schrader

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Per Anhalter durch die Galaxis ISBN 978-3-453-20961-9



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Allerleibuch - Zwirlein